Reine Transkreation: Eine neue Möglichkeit für immersive Lokalisierung
Lokalisierung ist mehr als nur Übersetzung. Wahrscheinlich haben Sie es oft genug gehört – wir haben es oft genug gesagt. Doch was bedeutet das etwas Mehr eigentlich? Die Phasen der Lokalisierung sind viel umfangreicher und komplexer, als es die gute alte Übersetzung ist – Lokalisierung ist mehr als Übersetzung, da das Material in der Zielsprache, -kultur und dem Zielmarkt gleichwertig (oder zumindest vergleichbar) angepasst werden muss.

Bei Übersetzungen ist es akzeptabel, dass man einigermaßen weiß, dass diese übersetzt wurden, weil niemand so tun muss als ob es anders wäre – man kann, zum Beispiel, Shakespeares Werk auf Deutsch lesen und dabei wissen, dass es ursprünglich nicht auf Deutsch geschrieben wurde, d. h. Sie erleben ein übersetztes Kunstwerk und erhalten zusätzliche Kontextinformationen in Fußnoten / Anhängen, die die nicht übersetzbaren oder in gewisser Weise übersetzbaren Aspekte verdeutlichen. Im Gegensatz zur Übersetzung ist der eigentliche Zweck der Lokalisierung die Bereitstellung einer reibungslosen Benutzererfahrung, die nicht von der Verwendung eines Produkts / einer Dienstleistung im Zielmarktumfeld zu unterscheiden ist.
Anders gesagt – Lokalisierung duldet keine Fußnoten und zusätzliche Erklärungen. Und auch keine seltsamen, unklaren und unbestimmten Phrasen. Kommt eines davon in lokalisierten Materialien vor, handelt es sich dabei um eine gescheiterte Lokalisierung.
Dennoch kommen solche Fehler vor und Lokalisierungsteams kämpfen oft damit, die passenden Ausdrücke in der Zielsprache in einem speziellen Kontext zu finden. Warum?
Kampf um digitale Aufmerksamkeit
Unsere Leben sind ausgeprägt digital (und werden es immer mehr). Wir sind von textuellen und visuellen Informationen umgeben. Unsere Tage sind überfüllt mit Texten und Bildern, die zu Hause, bei der Arbeit und in der Freizeit vor unseren Augen aufblitzen. Diejenigen, die die Inhalte kreieren, kämpfen um unsere Aufmerksamkeit, indem sie ihre Zeit und Energie in die Entwicklung von griffigen Formulierungen, stilisierten Grafiken und intuitiven Benutzeroberflächen investieren. Diese müssen so viele Informationen wie möglich in möglichst wenig Text übermitteln.
Die Lokalisierung muss all diese Aspekte ihrer Zielkultur anpassen – die Wahrheit ist aber, dass nicht jede Sprache/Kultur gleichermaßen passend dafür ist.
Ausgangssprachliche Beschränkungen
Da die meisten Ausgangsmaterialien auf Englisch verfasst werden und man sie danach in andere Sprachen übersetzt/lokalisiert, wird eine ziemlich große Beschränkung als hindernder Faktor für vollständige Lokalisierung übersehen – die eigentliche Natur der englischen Sprache.
Jeder Sprachwissenschaftler kann bestätigen, dass die vereinfachte Flexion (d. h. fehlende Kasus- und Genusendungen) oder die possessiven Nominalphrasen im Englischen, obwohl sie an sich großartige Merkmale sind und Fremdsprachenlernenden das Leben vereinfachen, oft Albträume bei denen, die am Lokalisierungsprozess beteiligt sind, hervorrufen.
Auf Englisch kann man vieles mit wenigen Worten sagen, wobei die Morphologie anderer Sprachen strenger ist und die Syntax eine größere Wortmenge fordert, um dieselben Informationen zu übertragen und noch mehr Worte braucht, um einen spezifischen Ton zu treffen sowie den gewünschten Effekt zu erzielen. Was kann man da machen?
Die Einführung von Transkreation
Die kreative Übersetzung oder Transkreation ist der Prozess der Anpassung eines bestimmten Tons, Stils und des Rhythmus des Ausgangstextes an die Zielkultur. Der Hauptfokus dabei ist die Hervorrufung des gleichen Effekts, den der Originaltext überträgt, und nicht die Wiedergabe der eigentlichen Bedeutung.
Transkreation kommt oft bei der Lokalisierung von Marketingmaterial zum Einsatz, meistens bei Werbeslogans und Taglines, man kann sie aber auch für etwas mehr als nur das benutzen. Stellen wir uns nur kurz vor, dass das Wesen des Lokalisierungsprozesses nicht die Übersetzung, sondern die Transkreation ist.
Dies würde bedeuten, dass die Lokalisierungsteams anstelle des Ausgangstextes, Anweisungen, Bilder, die App, oder das Produkt, für das der Text lokalisiert wird, wie auch die Informationen zum Zielpublikum und dem gewünschten Effekt der lokalisierten Materialien, erhalten.
Tatsächlich wäre die Hauptaufgabe des Lokalisierungsteams, das Ausgangsmaterial in der Zielkultur wiederzugeben, anstatt sie nur anzupassen.
Dieser Ansatz wäre natürlich nicht die richtige Lösung für Materialien, bei denen die Bedeutung des Ausgangstextes äußerst wichtig ist (man kann es vollkommen vergessen, wenn es auf Texte aus den Gebieten der Medizin, Pharmazeutik oder Technik ankommt), aber es könnte eventuell die genau richtige Lokalisierungsstrategie für Software, Spiele und Marketingmaterialien sein, d. h. für alle Lokalisierungsprojekte, dessen Endziel eine immersive Benutzererfahrung ist, die man als lokal, nicht lokalisiert beschreiben kann.
Dies erfordert ein bisschen Mut, wir sind aber fest davon überzeugt, beruhend auf allem, was wir bisher gelernt haben, dass dieser Ansatz der Weg in eine Zukunft mit weniger Kopfschmerzen und mehr Erfolg ist.